Über einen Antagonismus, den es nicht gibt.

Journalismus / Online-Journalismus

Print-Journalisten werden nicht müde und beschwören einen imaginären Antagonismus zwischen traditionellen Medien und Weblogs. Einmal wird die unübersichtliche «Schwarmintelligenz» des Web 2.0 der professionelle Analyse und zuverlässigen Information der «Qualitätszeitungen» gegenübergestellt. Ein anderes Mal bedrohen die geklauten Fast-News der «Web 2.0-Blogger» den «Slow Journalismus» der guten alten, nach Papier duftenden Magazine.

Die Gegenüberstellungen haben eine absurde Komponente, da sie implizieren, dass Weblogs den Anspruch haben, die Tageszeitungen oder gar den Magazinjournalismus zu ersetzen. Auch ich liebe die guten alten Wochen- oder Monatsmagazine und nach anfänglichen Vorurteilen ist mir sogar der Economist ans Herz gewachsen. In seinem Plädoyer für den «langsamen Journalismus» erwähnt Daniel Weber, Chefredakteur von NZZ Folio, die grossen amerikanischen Vorbilder: der New Yorker, Atlantic Monthly und die Vanity Fair. Die deutsche Ausgabe der Vanity Fair will er explizit nicht dazu gezählt wissen. Und man fragt sich: Wo sind die grossen Projekte des «langsamen« deutschsprachigen Journalismus seit dem Scheitern von TransAtlantik und Spiegel Reporter? Die ins Magazin geschrumpfte Weltwoche? Cicero aus dem Hause Ringier? Oder etwa Monopol? Als ob die Weblogs die Verhinderer des anspruchsvollen Journalismus wären.

Webers Kollegen vom Westschweizer L’Hebdo haben mit ihrem Bondyblog bewiesen, dass sich Weblogs für journalistische Experimente einsetzen lassen, die über das «mediale Grundrauschen» hinausgehen. Anregend in diesem Zusammenhang ist auch die These von Bruno Giussani, der Verlegern von Magazinen empfiehlt, weiterhin möglichst alle Ressourcen darauf zu verwenden, guten (langsamen) Journalismus zu produzieren. Gleichzeitig sollen die Verleger jedoch allen Journalisten ein Weblog einrichten, um die Beziehung zu den Lesern interaktiver zu gestalten.

Dass es nicht darum gehen kann die Ansprüche eines Magazinjournalisten mit denjenigen eines Bloggers gleichzusetzen, hat zumindest die NZZ treffend beschrieben. Mit den Weblogs ist im Internet ein Backchannel enstanden, dessen Mitglieder am Ende des Tages ihre Beiträge nicht als Magazin gedruckt sehen wollen, sondern die Möglichkeit nutzen, ihre Stimme an ein «Mikro-Publikum» zu richten.

Das Internet hat keine publizistischen Schwergewichte entstehen lassen, die den etablierten Medienhäusern auf Augenhöhe entgegentreten könnten. Es ist aber Raum entstanden, in dem sich Millionen von Amateur-Journalisten mit ihrem Mikro-Publikum in ein eigenes Medien- Subsystem zurückziehen können. Diese Subsysteme kann man nicht konkurrenzieren, aber vielleicht integrieren.

in NZZ: Die Geschichte der Zukunft der Zeitung

Hier geht’s weiter:
Medienspiegel.ch: Slow Journalism
WOZ Medientagebuch: Auf Abwegen
NZZ: Die Geschichte der Zukunft der Zeitung

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